22. Februar
D. viij. kl. Marcij.
Apud Antyochiam kathedra sancti Petri , daz got im die slůzzile gab und
in zů bischove machite.
Apud Alexandriam Habilij episcopi.
Et sancti Papie episcopi.
Und Paschasij episcopi et confessoris.
Et sancti Aristion .
Und sancte Tecle virginis. Die was iungir sancti Pauli. Die wart under
deme keysere Nerone gebrant und dar na den tierin und den slangin
gegebin. Und [sie] schaditin ir nicht. Also quam sie zů gote.
Et sancte Concordie , die wart enthoubit.
Bildbeschreibung:
1. Das erste Bild zeigt zur Stuhlfeier Petri in Antiochien die
Schlüsselübergabe Jesu an Petrus. Die Tradition dieser Feier und der
entsprechenden Ikonographie geht auf Mt 16,19 zurück. Jesus erscheint
als bärtiger Mann mit Nimbus, in einer blauen Tunika und einem roten
Überwurf. Petrus ist mit Tonsur und Heiligenschein abgebildet. Seine
Kleider gleichen denen von Christus, nur ist der Überwurf braun
koloriert. Der vergoldete Schlüssel erscheint in seiner symbolischen
Bedeutung überdimensioniert groß. Mit den „Schlüsseln des
Himmelreiches“ (Mt 16,19) verleiht Christus dem Apostel Petrus die
sakramentale Macht des Bindens und Lösens und begründet damit seinen
Vorrang unter den Aposteln und im weiteren Sinne den Primat des
Bischofs von Rom.
2. Im zweiten Bild sind drei Bischöfe, Habilius, Papias und Paschasius,
in einer Reihe zu sehen. Die Zeiten ihres historischen Wirkens liegen
zwar auseinander (Habilius († um 98), der älteste von allen, war
Bischof von Alexandrien; Papias, ein Zeitgenosse und Freund Polykarps
von Smyrna, war Bischof von Hierapolis in Phrygien und verstarb um das
Jahr 130; Paschasius war der um 312 verstorbene elfte Bischof von
Vienne), im Bild erscheinen sie dennoch zusammen, ikonographisch
vollkommen aneinander angeglichen (vgl. vor allem Handbewegungen),
unterschieden nur durch die Farben ihrer Gewänder (rot, blau und
braun). Bedenkt man, daß die Darstellung der Bischöfe sich an das Bild
der Schlüsselübergabe an Petrus anschließt, so könnte man die drei
Würdenträger als eine repräsentative Reihe der – in ihrem Amt, ihren
Aufgaben und ihren hier im Bild aufs Neue legitimierten Kompetenzen
überzeitlich miteinander verbundenen – Petrus-Nachfolger verstehen.
3. Das dritte Bild zeigt das Feuermartyrium der heiligen Tecla. Die
Jungfrau ist in Feuerflammen mit Nimbus, langem gelockten Haar und in
einem blauen Gewand dargestellt. Ihre Hände hebt sie in Gebetshaltung
empor.
4. Die einzige im Text erwähnte Enthauptung bezieht sich auf die
heilige Concordia. Dieser Szene gilt wahrscheinlich – zumindest
intentional – auch das letzte Bild. Überraschend ist nur, daß statt
einer Frau eine männliche Märtyrerfigur zu sehen ist. Eine Verwechslung
oder eine gedankenlose Übernahme des Bildes aus einer Vorlage könnte
dem zugrunde liegen.
23. Februar
E. vij. kal. Marcij.
In Pannonijs natale sanctorum Seneroti , Antigonij , Rutuli , Libi .
Et sancti Policarpi presbiteri, der mit sancto Sebastiano vil lůte
bekarte und zů der martire sterkte.
Apud Smirnum sancti Sireni . Der was ein můnich und wart enthoubit
durch got. Und ander zwene und siebinzk .
Bildbeschreibung:
1. Im ersten Bild erscheint der Priester Polykarp, der laut
Textauskunft viele zum christlichen Glauben bekehrte, als predigender
Missionar vor aufmerksamen Zuhörern. Polykarp ist mit Nimbus und Tonsur
dargestellt, bekleidet mit einer blauen Kasel. Seine Hände sind zu
einer Redegebärde geformt.
2. Die zweite Bildszene gilt der Enthauptung des smyrnaischen Mönches
Sirenus und weiterer zweiundsiebzig Märtyrer. Sirenus erscheint in
einer weißen Kutte, mit Tonsur und Nimbus. Seine Augen sind
geschlossen, gebeugt und in Gebetshaltung kniet er vor einem Schergen,
der zu einem Schwertschlag ausholt. Die Märtyrer in seinem Gefolge
erscheinen teils mit Tonsuren, teils mit Nimben, teils als Weltliche
ohne besondere Attribute der Heiligkeit. Bei dem charakteristisch im
Profil abgebildeten Schergen ist zu bemerken, daß die Vorstellungen des
Zeichners und des Koloristen angesichts seiner Frisur offensichtlich
auseinandergingen. Die Federzeichnung gibt eine schlichte
Kurzhaarfrisur vor, der Kolorist verleiht dem Schergen dagegen mit drei
Pinselstrichen eine zerzauste Mähne, die wohl seiner Ansicht nach
besser die äußere Häßlichkeit und somit die innere Boshaftigkeit des
Folterknechts zum Ausdruck zu bringen vermag.
24. Februar
F. vj. kal. Marcij.
Natale sancti Mathe apostoli, do he was ein von den siebinzk iůngirn.
Do kurn sie in an Iudas stat.
Und an deme tage vant man sente Johannes Baptisten houbt . Got der
offembarte iz zwen můnchin, wor iz behaldin was. Apud Cesariam sancti
Serij martyris.
Bildbeschreibung:
1. Das erste Bild zeigt die Wahl des Matthias zum Apostel anstatt des
Verräters Judas. Die Ikonographie bezieht sich auf den Bericht der
Apostelgeschichte 1,15-26. Unklar ist, ob im Bild Matthias und sein
Kollege und ‚Konkurrent’ Josef Barsabbas beim Losen dargestellt sind
oder ob die Figur des bärtigen Heiligen, der die Loswürfel wirft, eher
Apostel Petrus meint, unter dessen Leitung die Zeremonie stattfand.
2. Das zweite Bild bezieht sich auf die Auffindung des Hauptes Johannes
des Täufers. Ein tonsurierter Geistlicher in einer weißen Kutte reicht
seinem identisch aussehenden Kollegen die Kopfreliquie in einer wegen
ihres Reliquienstatus’ kostbaren und daher im Bild vergoldeten Schale,
der sogenannten Johannesschüssel. Abgebildet sind hier die beiden
Mönche aus Jerusalem, denen der Verbleib des Hauptes in einer Vision
offenbart wurde.
3. Das Standbild eines jugendlichen Heiligen ist mit dem Märtyrer
Serius (Sergius) zu identifizieren. Warum man sich hier für ein
einfaches Portrait entschieden und nicht wie üblich eine
Martyriumsszene abgebildet hat, läßt sich nicht eindeutig erklären.
Vielleicht hat man auf jene Ikonographie aus Platzgründen verzichtet,
denn es würde immer wenigstens noch ein Folterknecht dazu gehören, den
man auf dem verbleibenden Platz nur schwer als eine vollständige Figur
in angemessener Größe hätte unterbringen können. Andererseits können
wir im JM genügend Fälle verzeichnen, in denen dies kein Hindernis für
Illustratoren darstellte (vgl. f. 14v, unterer Bildstreifen; f. 32v,
oberer Bildstreifen; f. 38v, unterer Bildstreifen).