Do dankte he
gote lieblichin. Und an deme cruze larte he daz kyrstin volk bestan an
gotis minne und an deme rechtin geloubin und daz sie hie gerne mit
Christo die pine liedin, daz sie hie na mit im in der erin wesin
mochtin. Dar na bat he daz volk nieder knien und mit im betin. Und do
sie daz getan hattin und alle sprachin „Amen“, do gab he den geist.
Und des selbin tagis sancti Alexandri episcopi und sechs andere
heiligin .
Bildbeschreibung:
1. Die erste Bildszene widmet sich der Kreuzigung des seligen Bischof
Nestor. Er ist an seinen Handgelenken mit Stricken an das Kreuz
gebunden, man sieht seinen entblößten Oberkörper, sein Kopf ist leicht
geneigt, die Bischofsmitra verrät sein geistliches Amt, der Nimbus
zeichnet ihn – obwohl er im Text lediglich als beatus angesprochen ist
– als einen Heiligen aus. Die beiden unterhalb des Kreuzes plazierten
Figuren (aus Platzgründen durch Kopfdarstellungen angedeutet) sind als
das bei Nestors Martyrium anwesende Volk, das seiner Predigt zuhört und
mit ihm gemeinsam betet, zu identifizieren.
2. Das zweite Bild zeigt die Predigt eines Bischofs zu einer Gruppe von
sechs Personen, von denen die erste – wie der Bischof selbst – mit
Heiligenschein ausgezeichnet ist. Der predigende Bischof erhebt seine
rechte Hand im Rede- bzw. Segensgestus. Das Bild ist auf die Erwähnung
des Bischofs Alexander, Patriarchs von Alexandrien, zu beziehen.
Fraglich ist, warum einer von Alexanders Zuhörern nimbiert dargestellt
wurde. Vielleicht handelt es sich hier um den Versuch der Maler, die
nicht näher spezifizierte Textauskunft über die „sechs anderen
Heiligen“, im Bild umzusetzen: man hat sie einfach dem Bischof
Alexander zugeordnet und die dem Bischof räumlich am nächsten stehende
Figur, wohl stellvertretend für alle anderen, mit einem Heiligenschein
versehen. Mit den „sechs anderen Heiligen“ können die bei Beda
verzeichneten Theon, Opion, Justus, Donatus, Ampliatus und Ingenius
gemeint sein, die auch bei Hrabanus (allerdings noch weniger
differenziert, in einer Reihe mit Alexander und Nestor) aufgezählt
werden.
27. Februar
B. iij. kal. Marcij.
Apud Hyspaniam sancti Leandri episcopi, dem sente Gregorius bůcher
schreib. Und he bekarte vil volkis und sterkte sie zů der pine.
Und des selbin tagis sancti Iuliani martyris. He und noch einer wurdin
uf oluende gesazt. Und da miete namin sie ende.
Iz ist ouch tag sancti Baldimeris , zů des grab vil zeichinis geschiet.
Und acht und drizich heiligin ouch.
Bildbeschreibung:
1. Das erste Bild gilt Bischof Leandrus (Heiligenschein, Mitra,
Bischofsstab in der linken Hand), der hier in Entsprechung zum Text als
(predigender) Missionar dargestellt ist. Seine rechte Hand erhebt er im
Rede- bzw. Segensgestus, wodurch eine Predigtsituation vor einem
imaginierten Publikum suggeriert wird.
2. Das zweite Bild zeigt den heiligen Iulianus und seinen nicht
namentlich genannten Leidensgenossen nackt, auf Kamelen sitzend. Die
nimbierten Heiligen drehen sich nach hinten, zum häßlichen Schergen im
braunen Gewand um, der mit einem Stock in der rechten Hand die Tiere
antreibt bzw. den Märtyrern selbst Schläge erteilt. Diese exotische
Martyriumsform wird hier bis hin zu den naturalistischen Darstellungen
der Kamele präzise ins Bild gesetzt.
3. Das dritte Bild beinhaltet eine originelle bildliche Interpretation
des knappen Eintrages zu den zahlreichen Wundern am Grab des heiligen
Baldimer. Dargestellt ist ein altarähnliches, blau, rot und mit
Goldfarbe koloriertes Grab, darüber die segnende Hand Gottes aus einem
Himmelssegment (einer Wolke). Es ist kein bestimmtes Wunderereignis
dargestellt (es wird im Text ohnehin nichts Konkretes benannt, was die
Maler im Bild hätten umsetzen können), sondern die Ursache aller
Wunder: die durch die segnende Hand Gottes symbolisch wiedergegebene
Gnade Gottes, die sich im Signum des Wunders manifestiert. Die Miniatur
hat somit nicht nur eine illustrativ-anschauliche, sondern durchaus
eine belehrend-meditative, erbauliche Komponente. Dem Bildbetrachter
wird das Göttliche, die transzendente Urheberinstanz aller Wunder, vor
Augen geführt. Für einen christlichen Rezipienten handelt es sich hier
natürlich nicht um Vermittlung neuer Inhalte, sondern um Bestätigung
und Bekräftigung des bereits Gewußten, was zur Festigung des Glaubens
beiträgt.
28. Februar
C. ij. kal. Marcij.
In territorio Lugdunensis locis Virensibus sancti Romani . Der was der
erste einsiedil an deme lande und tet vil zeichins und tůginde. Und
wart maniger munche abbit.
Et sanctorum Cerealis , Pupuli , Gaij , Serapionis .
Bildbeschreibung:
1. Das erste Bild zeigt den heiligen Romanus, Gründer der
Benediktinerabtei Condat, als Einsiedler in einem schematisch
dargestellten, blau kolorierten Gehäuse. Es meint wohl weniger eine
konkrete Behausung und soll vielmehr durch die räumliche Begrenzung
Romanus’ Abgeschiedenheit von der Außenwelt zum Ausdruck bringen. Der
Heilige erscheint mit Nimbus, Tonsur, bekleidet mit einer weißen Kutte.
Die ‚Außenwelt’ jenseits von Romanus’ Eremitendasein repräsentieren
vier weiße Mönche, die für die in der von Romanus gegründeten Abtei
lebenden Brüder stehen. Genau wie Romanus selbst, sind sie mit Nimben,
Tonsuren und in weißen Kutten abgebildet. Zwei von ihnen richten ihre
Hände in Redegebärden zu Romanus.
2. Das zweite Bild stellt drei Heilige dar, die sich – wie es an ihren
Redegebärden abzulesen ist – im Gespräch miteinander befinden. Die
Darstellung bezieht sich wohl auf die erwähnten Cereales, Pupulus,
Gaius und Serapion, wobei nur drei von ihnen abgebildet wurden. In
Entsprechung zum Text, der keine näheren Informationen zu den vier
Heiligen enthält, ist auch die bildliche Darstellung unspezifisch.
Durch die verschiedenen Gewandfarben (rot, braun und blau) suchte der
Kolorist das handlungsarme Bild abwechslungsreicher zu gestalten.